Ivanka Sany Danja

Eine Ära ging zu Ende

St. Florian bei Linz, Oberörsterreich. Ein besonderer Hund für eine besondere Zucht.

Schon seit sie das erste Mal Norfolk Terrier auf einer Hundeausstellung gesehen hatte, war es um meine Mutter, Doris Spring, geschehen. Über lange Zeit in diese Rasse verliebt, holte sie so manche Information ein, denn der nächste Hund, der ins Haus kam, sollte ein Norfolk Terrier sein.

Jahrelange Erfahrung mit der Zucht und Ausbildung von Deutschen Schäferhunden machten einen gewissen Start vielleicht etwas einfacher, doch niemand in der Familie hatte große Erfahrung mit kleinen Hunden und schon gar nicht mit einem Terrier, was immer das dann auch bedeuten sollte. Dennoch wusste man, dass viele Hundebesitzer zu großen Hunden auch oft einen kleinen hielten, also würde das schon gut gehen.

Als die letzte Schäferhündin meiner Mutter sehr unerwartet über die Regenbogenbrücke ging, war der Rüde plötzlich alleine. Nach einiger Zeit der Trauer war nun der Augenblick gekommen. Eine Norfolk Terrier Hündin sollte die Familie wieder bereichern und uns allen eine neue Aufgabe bringen. Doch wie kommt man nun zu einer Rasse, die es in Österreich gar nicht gibt? Man erkundigt sich im Ausland in der Hoffnung einen Züchter zu finden, der eine zuchttaugliche Hündin abgibt, denn auch das ist nicht so einfach. Schließlich, nach langer Suche und unzähligen E-Mails auf Englisch, was die wohl größte Herausforderung darstellte, gelang etwas Wundervolles. Familie Spring sollte eine Norfolk Terrier Hündin bekommen und für meine Mutter ein heiß ersehnter Wunsch in Erfüllung gehen.

 

Eine wundervolle und ereignisreiche Ära beginnt…

Bereits der erste Besuch beim Züchter war eine tolle Erfahrung. Die Fahrt dorthin, noch ohne Navi bis fast an die polnische Grenze, war schon ein super Erlebnis für die ganze Familie. Man sieht Tschechien von einer anderen Seite, auf langen Straßen mit tollen Alleen mitten im Nirgendwo und plötzlich steht man vor einem kleinen Haus mit einem Garten voller Norfolk Terrier, die einen begrüßen, als würde man sie schon ewig kennen und Leuten, die zwar die Sprache nicht verstehen, aber sofort aufgeschlossen und freundlich sind und so gut es geht, alles über die Hunde erzählen.

 

So, aber nun endlich zum Hund: Ivanka Sany Danja wurde am 28. September 2003 in Doudleby nad Orlicí in Tschechien als eine von zwei  Welpen des Züchters Petr Daněk geboren.  Als wir sie das erste Mal sahen, wurde uns sofort klar, dass dieser Hund alles verändern würde. Vor uns robbte eine kleine rote Hündin durch die Küche. Naja, „robbte“ ist wohl das falsche Wort. Sie konnte ja schon gehen, aber sie war doch sehr wohl genährt. Noch deutlicher wurde ihre Leidenschaft fürs Fressen, als sie und ihr Bruder dann auch noch gefüttert wurden. Da stand der kleine dicke Welpe vor der Schale mit Welpenmilch und schlemmte. Die kleine Schnauze ganz weiß, als sie fertig war, hatte uns dieses Wesen schon um den Finger gewickelt. Doch wie hieß die Kleine nun? Den Namen durften wir aussuchen. Da Mama unbedingt wollte, dass sie einen tschechischen Namen bekam, um ihre Herkunft niemals zu vergessen, wurde die Hündin „Ivanka“ (Johanna auf Deutsch) getauft.

 

Kurz vor Weihnachten war es dann endlich so weit. Ivanka kam heim nach St. Florian und lernte an einem recht gemütlichen Abend ihre neue Familie bestehend aus Mama, Papa, meiner Schwester und mir, dem Deutschen Schäferrüden Ares und dem Kater Tiger kennen. Absolut nicht schüchtern und immer noch sehr verfressen prägte nun der kleine Norfolk Terrier unser Familienleben.

Dass man einen Hund registrieren muss und ihn ausbilden sollte, ist kein Thema, das ist so. Doch wie lässt man eine Hunderasse registrieren, die es zuvor im Land noch gar nicht gab? Man wendet sich an den zuständigen Club, also den „Österreichischen Club für Terrier“ und lässt ein neues Zuchtbuch öffnen. So wurde aus Ivanka Sany Danja der erste in Österreich registrierte Norfolk Terrier,  ZbNr. NFT1. Damit man züchten kann, stellt man den Hund auf einigen Ausstellungen aus und macht eine Zuchtzulassung. Doch wie funktioniert eigentlich eine rassespezifische Vorführung im Ring? Nun die erste Lektion, die meine Mutter lernen sollte, man zieht sich passend zur Rasse an. Das bedeutet man stellt einen Norfolk Terrier nicht in Sandalen und kurzer Hose und T-Shirt aus. Zu Glück geben auch Richter Tipps und schließlich lernt man nie aus.

 

Ich kann mich noch recht gut erinnern, wie meine Mutter damals in der Welpenschule meinte, sie als Profi wolle es allen zeigen, dass ihr Hund das Kommando „Pfui“ sicher recht schnell lernen würde. Es mussten alle Kursteilnehmer bei einem Stückchen Wurst auf dem Boden vorbeigehen und den Hunden verbieten, es zu fressen. Doris, der Profi, zeigt es allen und geht zuletzt. Doch wie es das Schicksal so will und Frau Spring statt einem Schäferhund nun einen Terrier an der Leine führt, kann sie gar nicht so schnell schauen, hat der kleine rote Hund im Vorbeigehen die Wurst auch schon gefressen. Die Folge: großes Gelächter aller Zuseher. Und was lernen wir daraus? Ein Terrier ist schon ein anderes Kaliber, auch, wenn er noch so klein ist.

Dennoch hat Ivanka die Grundausbildung recht gut gemeistert und gemeinsam waren die Norfi- Hündin und meine Mutter ein tolles und eingespieltes Team. Sie zeigten allen, dass auch ein kleiner Hund ausgebildet werden kann und auch auf diversen Prüfungen eine gute Figur abgibt. Miteinander meisterten die beiden so manche Landesmeisterschaft und Vereinsturniere, wobei sie auch auf den vordersten Rängen nicht fehlten.

Nun hat Ivanka eine Grundausbildung und eine Zuchtzulassung, dann sollte sie auch mal Welpen bekommen. Mit fünf gesunden Welpen als Erstlingshündin sprachen die anderen Züchter noch von Anfängerglück, doch stellte sich im Laufe der Zeit heraus, dass es sich nicht nur um Anfängerglück handeln sollte. Ivanka war die Stammhündin der einzigen beständigen Norfolk Terrier Zucht in Österreich.

Diese Hündin war schon etwas ganz besonderes. Trotz ihrer geringen Größe, wurde sie von uns Kindern im Winter vor den Schlitten gespannt und machte auch jeden anderen Blödsinn mit, natürlich alles zum Spaß und fürs Futter. Bis ins hohe Alter verkraftete dieser besondere kleine Hund so manchen Schicksalsschlag, wie etwa Auseinandersetzungen im Rudel, das aufgrund der Zucht immer größer wurde.

Ivanka war immer die gute Seele im Rudel und die Oma vieler Welpen. Sie war wesentlich beteiligt in der Aufzucht der Kleinsten, ob bei der Erziehung oder beim Spielen. Allerdings lehrte „Ivy“ oder „Glupschi“, wie sie bei uns liebevoll genannt wurde, nicht nur den Welpen Manieren, sie war auch Lehrhund für so manches Kind. Egal ob auf dem Hundeplatz beim Training und auf Jux- Turnieren, oder beim Schautraining zeigte sie den Menschen, wie sie sich zu bewegen hatten und ob ein Kommando richtig gesagt wurde. Und natürlich tat unsere Ivanka alles nur für Leckerlis. Das Spazierengehen machte ihr immer Spaß und sie kam gerne mit, allerdings etwas gemütlicher und recht langsam, aber das wiederum lehrte einem Geduld zu haben und im Nachhinein darüber nachgedacht, tut es einem fast Leid, wenn man recht ungeduldig wurde, weil man eben auf Ivanka warten musste.

 

Bis zuletzt war sie ein starker Hund, eben ein kleiner Terrier mit großem Herz. Oder wie man auch oftmals von einem Terrier hört: Diese Hunde wissen nicht, dass sie klein sind, denn sie haben ein riesiges Herz.

Ivanka wurde leider nicht ganz 13 Jahre alt, denn der Krebs war ihr Schicksal, dennoch war sie tapfer bis zuletzt und jedes Familienmitglied bemühte sich, ihr Leben nach der Diagnose so schön und angenehm wie möglich zu gestalten. Am 9. Juli 2016 mussten wir uns von Ivanka verabschieden, sie hat den Weg in den Himmel angetreten.

 

In Erinnerung an den ersten registrierten Norfolk Terrier in Österreich, die Stammmutter der Norfolk Terrier „vom Haus Spring“, die Erfüllung eines großen Traumes meiner Mutter Doris und ein ganz besonders prägendes Mitglied meiner Familie. In Erinnerung an Ivanka Sany Danja.

 

Für meine Mama Doris und meinen Papa Fredi, die sich für die Zucht und Aufzucht ganz besonderer Hunde einsetzen.

 

Eure Tochter Anita        

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